Sonntag, Juli 29, 2007

Die gelbe Gefahr

Die Simpsons im Kino. Es gibt Dinge, die die Welt nicht braucht. Homer macht es direkt am Anfang des Films klar: Wie blöd muss man eigentlich sein, wenn man im Kino für einen Film Geld ausgibt, wenn man's im Fernsehen kostenlos sehen kann. Kurz: der Film ist wunderbar. Lang: Muss man nicht gesehen haben, aber man bereut es bestimmt nicht. Es gibt schon einige sehr gute Gags. Ich finde die verliebte Lisa so wunderbar. Großartig, wenn sie sich zunächst überlegt, was sie nun sagen könnte, um irgendwie attraktiv zu wirken, und im nächsten Moment die Besinnung verliert. Homer, der spirituelle Erfahrung bei einer Inuit - "erstaunliche Frau mit den großen Brüsten" - sammelt. Lisa, die sich über Homers Fehler aufregt und von March getröstet wird: "Lisa, Du bist eine Frau - Du kannst es ihm immer noch ein Leben lang vorhalten.". Arnold als Präsident, der entschlossene Entscheidungen demonstriert. Die NSA kann endlich mit ihrem belauschen von Privatgesprächen mal einen Fahnungserfolg verbuchen. Flanders, der die bessere Vaterfigur ist. Einer der Nachspann-Gags hat mir am besten gefallen. Burns und Smithers haben einiges eingebüßt, wie Smithers deutlich macht. Burns jovial: "Smithers, bisher habe ich ja nicht an Selbstmord geglaubt." Entsetzter Blick von Smithers, bevor Burns trocken fortsetzt: "Aber wenn Sie es mal versuchen würden... Vielleicht würde es mich aufheitern."

Unterhaltsam, lustig und ablenkend ist so ein Film. Dann kommt man in die Menschenmenge am Samstag Abend zurück. Das Partyvolk ist auf der Straße. Und mittendrin das wahre Leben. Eine Frau steht, mit so etwas wie einer Küchenschürze bekleidet, barfuß auf der Straße, spricht Passanten auf Kleingeld an. Ich stelle mich in einen Hauseingang und beobachte aus der Ferne. Sie sieht zunächst verwirrt aus (hat mich an meine Mutter erinnert), weiß aber offenbar, was sie tut und ist leidlich erfolgreich. Gelegentlich ein paar Pommes, die sie dann tatsächlich fast gierig verschlingt, mal eine Zigarette, etwas Kleingeld, ein Kind das zurückgeschickt wird und einen Lutscher bringt. Das selbe Kind, bringt mir später auch ein Bonbon, vielleicht hat Henning doch Recht und ich sollte an meiner Außenwirkung arbeiten. Mich fasziniert diese Frau, vielleicht Mitte zwanzig ein hübsches Gesicht, ihr Haar ist mit einer Spange nett hochgesteckt, eine freundliche Erscheinung, manische Ausbrüche erwartet man einfach, gab es aber nicht. Die blanken Füße auf dem Aspalt tiefschwarz an den Sohlen, mit kleinen Schürfwunden übersäht, einige kleine blaue Flecken. Man möchte eine Geschichte hinein interpretieren. Die meisten Leute ignorieren sie. Andere schauen zunächst erstaunt, dann entsetzt, schließlich empört und es ist ihnen anzusehen, wie sie an erzieherische Maßnahmen denken und die Staatsgewalt beschimpfen, die nie da ist, wenn man sie bräuchte (zum Erziehen). Mich überrascht die Ausdauer und Beharrlichkeit, mit der diese Frau diese Situation aufrecht erhält. Man möchte meinen, solche Energie könnte man geschickter einsetzen. Aber für sie sind die Leute drum herum die bunten Vögel. Die Situation ist nicht peinlich für sie, es sind die Anderen die das Unangenehme spüren. Ein wenig scheint sie ihre schockierende Präsenz zu genießen. Sie wirkt lebendiger als die Meisten, die passieren.

Sonntag, Juli 22, 2007

homo sapiens non urinat in ventum

Es ist schon erstaunlich wovor Menschen alles Angst haben können. Von allen Ängsten ist die schlimmste: zu wissen, was die anderen denken. Ja, das ist eine Angst. Menschen, die glauben zu wissen, was andere denken, haben Angst davor, was das bedeuten könnte. So wird die eigene Gedankenwelt in die Wahrnehmung hineinprojeziert. Manche Leute halten mich für klug. Ich weiß nicht warum. Ich kann diese Erwartung nur enttäuschen. Ich liefere selten Lösungen, die zu erwarten waren. Das kann nur enttäuschen. Ich finde das gar nicht schlimm. So ist das Leben: Du handelst. Ich bin wirklich bei mir selbst angekommen und muss meinen Freunden danken, die mir das ermöglicht haben. Das Leben wird unterschätzt. Gute Idee nicht in den Wind zu pissen.

Sonntag, Juli 15, 2007

Second Life

Ein zweites Leben, was für ein merkwürdiges Angebot. Aber in jedem Falle eine faszinierende Welt. Erstaunlich, wie die Menschen ihr Auftreten gestalten, wenn sie doch die Möglichkeit haben alles sein zu können (von einer Blume bis zur Phantasiegestalt). Erstaunlich, wie bedeutungslos das alles wirkt. Warum stehen Kleidung und Körpergestaltung nur so hoch im Kurs? Keine Frage, Denkblockade. Wir können nur sein, wie wir uns selber sehen. Da ist man kein Leibeigener mehr und wagt es nicht die Welt neu zu erfinden. Funny.

Eine ganz andere virtuelle Welt ist da doch die schizophräne Psychose meiner Mutter. Putzig, was sie erzählt, aber es wäre fatal sie nicht ernst zu nehmen. Spannend ist ihre Welt, stets von "denen" ist sie bedroht. Sie nennt sie Tschautschenkos Erben. "Die" fangen die Post ab. Zum Glück kennt die Krankenkasse alles von Ihr und hat einen Weg gefunden Ihr geheime Nachrichten zu übermitteln: das AOK Magazin. "Die" benutzten den Fernseher, um sie zu beobachten. Da ist sie inzwischen ziemlich sicher, früher konnte sie sich das nicht vorstellen, da hat sie sich noch gefragt: "Wie soll das denn gehen?" Aber sie hat ab und zu Grimasen vor dem Fernseher gezogen und tatsächlich haben die Leute im Fernsehen darauf reagiert. Da war eine Karnevalssitzung (dabei hatte der Karneval noch gar nicht angefangen) in der wurde ihre Wohnung beschrieben. Das haben auch die "Kölner" gesagt. Ja, die haben gleich gesagt "das ist sie doch!" Dabei kennen die sie gar nicht, aber der Papa habe ja mal da in der Nähe von Kerpen gearbeitet. Der Schornsteinfeger habe ihr von den Kerpenern erzählt... Stundenlang. Eine Assoziationskette nach der anderen. Wirr, aber für sie völlig konsistent. Es gibt viele Welten zu entdecken, jeder von uns lebt in seiner.

Ich weiß nicht, ob es nicht noch zu viel wird, meine Mutter bei mir leben zu lassen. Letztlich kann ich Ihr nicht wirklich helfen. Ihre letzten Tage sollten menschenwürdig verlaufen. Und dabei weigert sie sich zum Hausarzt zu gehen. Ich kann sie ja nicht zwingen, habe den Arzt dazu gebracht mir die nötigen Rezepte so zu geben. Sie konnte doch schlecht mit Diabetis unbehandelt bleiben. Situationen, wie ich sie hasse: was man tut oder nicht tut ist falsch. Ich bewundere die Haltung des Arztes: "Sie können halt niemanden zu seinem Glück zwingen". Gelassenheit ist im Moment sehr hilfreich, auch gegen die ständigen Vorwürfe und Beschuldigungen. Wie hat ein guter Freund neulich über das Leben gesagt: "Nichts zu gewinnen, Nichts zu verlieren". Wir wachsen jeden Tag.

Samstag, Juli 14, 2007

Aufmerksamkeit

Erstaunlich, wieviel Aufmerksamkeit steuert. Ein Problem wird zum Problem. Eine Wahrnehmung wird zur Beobachtung. Kai ist jetzt völlig fasziniert von Spinnen. Ich lerne mit ihm. Und bin völlig begeistert. Ich habe das Gefühl, da sind viel mehr Spinnen um mich herum, und so viele verschiedene. Man beugt sich in den Sand und da sind Jadgspinnen, die Ameinsen verfolgen. Im Tor auf dem Bolzplatz, am Klettergerüst verschiedene Radspinnen. Im Kiesgelände, wo wir Skateboard üben jede Menge Arten von Trichterspinnen. Irre, vor ein paar Tagen war mir nicht klar, das es sich um verschiedene Arten handelt.
Aufmerksamkeit. Ist auch, wenn meine Mutter, meint der Postbote habe gerade ein Einschreiben gebracht, was sie auch lautstark aus dem Fenster in Erfahrung gebracht hat. Unwirklich daran ist nur, dass es sich um dem AWD Mitarbeiter gehandelt hat, der die Mülltonnen aus dem Hof zur Straße gezogen hat. Er hat wohl leichtsinnig, auf die Frage nach dem Einschreiben mit "Ja" geantwortet. Ich gerate nun in Erklärungsnot, weil der Briefkasten leer war.

Donnerstag, Juli 05, 2007

Von der Einsamkeit der Selbstständigkeit

Fünf Jahre ist mein Sohn nun alt. Zeit selbstständig zu werden. Ich schicke ihn alleine mit einem Brief zum Briefkasten auf die andere Straßenseite. Er will es, aber er traut sich zunächst nicht richtig. Er will, dass ich aus dem Fenster guckend dabei bin, die Türen sollen offen bleiben. Nervös und mit Wohnungsschlüssel bewaffnet bricht er zögernd auf. "Na gut, ich versuche es" meint er, dann korrigiert er sich "Nein, ich mache es. Es gibt kein Versuchen." (Er ist ein großer Fan von Star Wars und kann Yoda's Lektionen teilweise rezitieren). Sich immer wieder vergewissernd, dass alle Rahmenbedingungen unter Kontrolle sind, immer wieder zurückkehrend, die Straße an der Ampel nervös überquerend, heftig zum Fenster winkend, wird der Brief am Ende doch in den Briefkasten eingeworfen. Kai kommt gut gelaunt zurück. Es ist geglückt. Ich lobe ihn, er freut sich und fragt, ob ich nicht noch einen Brief hätte. Nun, das läßt sich arrangieren, er könne ja ein Bild malen und der Mama per Brief schicken. Ein Todesstern wird gemalt, wie er gerade den Pluto zerstört - malerisch vor dem Hintergrund einer Spiralgalaxis (sieht eigentlich mehr wie eine Schnecke aus). Als ich ihm versuche zu erklären, dass es auch Kugelgalaxien gibt, malt er meine Erklärung: eine Anhäufung von Kugeln. Ich versuche meine schlechte Erklärung zu verbessern, da werden die Kugeln zu Blättern einer Blume bunt angemalt. Ein nettes Bild. Ich schreibe ein paar erläuternde Sätze für die Mama auf die Rückseite, beschrifte und frankiere den Brief und der nächste Gang zum Briefkasten kann starten. Eine Leichtigkeit fast schon Selbstverständlichkeit. Stolz wie Oskar kommt Kai zurück. Ein paar Minuten später erklärt er mir, er wolle nun alleine spazieren gehen. Ich habe nichts dagegen. Er bricht gut gelaunt auf, kehrt nach etwa zwei Minuten zurück, nur um mir zu sagen, dass er mir nur sagen wollte, er will noch weiter spazieren gehen. Das wiederholt sich einige Male. Aus dem Fenster schaue ich ihm am Anfang noch zu, wie er die zehn Meter bis zur Häuserecke geht, anfangs voller Elan, dann immer zögerlicher, schließlich kehrt er wieder um. Es ist einsam, wenn man seinen eigenen Weg gehen will. Man kann es in seinem Gesicht ablesen und er hat Recht.